„Test Pleasures“ vs. „Testosteron“

Test Test Test Test

von Test Test Test

Ian Curtis, Bernard Sumner, Peter Hook und Stephen Morris aus Manchester prägten die bis heute nachhallende Post-Punk-Bewegung wohl nachhaltiger als jede andere Band – und das mit nur zwei Studioalben. Die beim legendären Label Factory Records veröffentlichten Werke „Unknown Pleasures“ und „Closer“ gelten als Hauptwerke des Genres.

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„Everyone comes out in repeating“

Symptome und Folgen der Repetition eruiert anhand des Stilmittels Gertrude Steins

von Rebecca Himmerich

„Repeating then is in every one, in every one their being and their feeling and their way of realizing everything and every one comes out of them in repeating. More and more the every one comes to b!e clear to some one.“

Als hätte sie es bereits vorausgeahnt und wollte den späteren Kritiken ihres literarischen Werkes den Wind aus den Segeln nehmen spricht Gertrude Stein bereits im ersten Abschnitt des Auszugs aus ihrem Werk „Making of Americans“ eine Erklärung, fast schon eine Art Rechtfertigung über die Eigenart ihres Stilmittels aus: „ „Slowly every one in continous repeating, to their minutest variation, comes to be clearer to some one.“

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Hat der Soul seine Seele verkauft?

Wandlung der Zeit

Von Jakob Gengenbach

Im Kölner Stadt Anzeiger erschien am 13. Januar 1968 ein Zeitungsartikel mit der Überschrift „Sie verkaufen ihre Seele“ von Gordon Mannsfeld. Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Genre Soul, der zu dieser Zeit von Amerika über England und Frankreich nach Deutschland schwappte. ->Link zum Zeitungsartikel

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Verschwende keine Wörter

Wörter wurden mit Sicherheit nicht verschwendet, im New-Wave-Song „Verschwende deine Jugend“ der Düsseldorfer Electro-Pioniere DAF. Um die textliche Quantität, die nicht weit über „Nimm dir was du willst“ hinausgeht, zu erweitern, kann man jetzt auch die Basslinie des Stückes lesen! Und zwar als Computercode.

Mit der Open- Source-Sprache SuperCollider können musikalische Strukturen als Code ausgedrückt und interpretiert werden. DAF’s New-Wave Klassiker liest sich dann so. Und wer sich nicht selber das Programm downloaden möchte, kann sich hier auch das Ergebnis anhören und natürlich mitlesen!

10 Bandnamen / Albumtitel, die einmal Bücher waren

In dieser kleinen Sammlung möchte ich zehn zufällig ausgewählte Beispiele von Bandnamen bzw. Albumtiteln aufführen, welche zuvor bereits als Titel von Romanen in die Literaturgeschichte eingegangen sind. Ich habe einfach mal solche Titel erfasst, die mir auf Anhieb eingefallen sind – die Liste ließe sich bei eingehender Recherche ohne weiteres um zahlreiche Beispiele erweitern (Kommentare mit weiteren Beispielen sind willkommen!). Es handelt sich hierbei um eine Form von Intertextualität, einem ursprünglich literaturwissenschaftlichen Phänomen, in dem sich Texte (in diesem Fall eben Bandnamen bzw. Albumtitel) auf andere Texte (in diesem Fall eben Bücher) beziehen. Intertextualität kann aber noch ganz andere Formen annehmen (Bei tiefergehendes Interesse an solcherlei intellektuellem Tand empfehle ich den Besuch des Musik&Text Moduls, um den Platz hier wenigstens für eine etwas bescheidene Eigenwerbung zu nutzen…). Wer die Augen offen hält, wird zahlreiche Beispiele für solche Intertextualität finden – nicht nur in Bezug auf Bandnamen und Bücher, die ganze Kulturgeschichte, vor allem die moderne, quillt geradezu über davon. Mir selbst ist irgendwann aufgefallen, dass einige der besten Songtitel, Albumtitel oder eben Bandnamen ursprünglich Titel von Romanen und Erzählungen bzw Figuren aus der Literaturgeschichte waren (z.b. ist Uriah Heep neben der Rockband auch eine Figur in Charles Dickens‘ Roman „David Copperfield“). Auch Filmtitel werden gern als Namensgeber für Alben oder Songtitel benutzt („Welt am Draht“, ein Science-Fiction Film von Rainer Werner Fassbinder, wurde z.b. mehrfach als Songtitel benutzt, u.a. von Pantha du Prince oder auch der Band März). Viel Spass bei der Suche nach intertextuellen Zweitverwertungen von Titeln. Vielleicht hat ja jemand Lust, sich mit einer vergleichbaren Liste anzuschliessen – beispielsweise würden mich Filmtitel, die zu Bandnamen wurden, brennend interessieren, doch dafür bin ich selbst zu wenig Filmkenner…
(Autor: Marc Matter)

LIAISONS DANGEREUSES
Bandname einer Düsseldorfer Elektronik-Combo aus den 1980ern. Die Gruppe war neben Kraftwerk und DAF (auch alle Düsseldorf) eine der Wegbereiterinnen moderner elektronischer Tanzmusik.
Roman von Pierre-Ambrois-Francois Choderlos de Laclos (1782) über gefährliche Liebschaften und deren gesellschaftliche Konsequenzen – wurde damals aber vor allem als erotische Literatur gehandelt.

WUTHERING HEIGHTS
Debut-Single und gleichnamiger Song von Kate Bush (1977).
Roman von Emily Bronte (1847), veröffentlicht unter dem Pseudonym Ellis Bell.

L’INVENTION DU MOREL
Hardcore Punkband aus Paris, die in den 1990er Jahren aktiv war, und sich dem sogenannten Emo-Core verschrieben hatte – ein fast vergessener Vorläufer der heutigen Emo Jugendkultur.
Roman von Adolfo Bioy Casares (1940, Originaltitel: La invención de Morel), in dem ein technischer Apparat beschrieben wird, der in der Lage ist, die Realität in all ihren Facetten aufzuzeichnen und wieder abzuspielen.

THE SOFT MACHINE
Ein Roman (der seinerseits die Grenzen des Begriffs Roman ordentlich ausweitete) des Schriftstellers William S.Burroughs (der sich seinerseits nur ungern als Vertreter der Beat-Generation bezeichnen liess).
Art-Rock Band mit Einflüssen aus Jazz und Neuer Musik, die sich 1966 um Robert Wyatt und Kevin Ayers formierte.

LOCUS SOLUS
Album des New Yorker Avantgarde Saxofonisten John Zorn, auf dem seine frühen Gruppen-Improvisationen (u.a. mit dem Plattenspieler-Virtuosen Christian Marclay und dem Gitarristen Arto Lindsay) dokumentiert sind.
Roman von Raymond Roussel, einem geistigen Vorgänger der Surrealisten. Spezialität von Roussels Büchern war seine berüchtigte ‚Methode‘, mit der er durch ein System von gleichklingenden Worten und Sätzen neue Texte generierte, die dadurch einen ungewöhnlichen Grad an Phantastik erreichen.

NAKED CITY
Und nochmal John Zorn: Bandname von Zorns avantgardistischer Rockband, bei der u.a. Mike Patton (Faith No More) mitspielte und die von altgedienten Metalbands wie z.b. Napalm Death abgefeiert wurden.
Buchtitel einer Fotoreportage (1945) des amerikanischen Reportage-Fotografen WeeGee, in dem er einen knallharten dokumentarischen Realismus in eine ‚Ästhetik des Verfemten‘ (Bilder von Unfällen, Armut, Obdachlosigkeit, Kriminalität etc.) umwandelte.

THE VELVET UNDERGROUND
New Yorker Experimental-Rockband, die sich Mitte der 1960er Jahre im Umfeld von Andy Warhols ‚Factory‘ gründete. Einige der Mitglieder, beispielsweise John Cale, Moe Tucker und Lou Reed, starteten im Anschluss recht erfolgreiche Solo-Karrieren. Weniger bekannt ist hingegen, dass der Ursprung des typischen Velvet Underground Sounds (John Cales monotone Geigenflächen) seinen Ursprung mitunter in John Cales stunden- bzw. tagelangen Dronemusik Sessions mit dem Minimal-Music Komponisten La Monte Young hat, die Anfang der 1960er in dessen New Yorker Studio stattfanden.
Dokumentarisches Buch des Journalisten Michael Leigh, in dem alle möglichen bizarren Sexualpraktiken beschrieben werden, die damals in Mode kamen – das Buch erschien 1963.

BLUMFELD
Die deutsche Gruppe Blumfeld um Jochen Distelmeyer ist nach einer Erzählung von Franz Kafka benannt: „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ (1915 verfasst). In den 1990er Jahren definierten Blumfeld den politisch kritischen Diskurs-Pop, um Jahre später nah an vermeintlichem Kitsch vorbeizuschrammen („Tausend Tränen tief“). Mittlerweile ist Diestelmeyer unter seinem eigenen Namen solo unterwegs.

NECRONOMICON
Ein ganz verhexter Fall: Ein Buch, dass es nie gab, nach dem sich aber gleich mehrere Bands (vor allem solche düsterer Rock- und Elektronik Spielarten) benannt haben.
Der Schriftsteller H.P. Lovecraft, berühmt als moderner Horror- und Phantasyliterat, berüchtigt für seine – zumindest von einigen Biographen attestierten – fremdenfeindlichen Tendenzen, erwähnt in seiner Erzählung „The Hound“ (1922) erstmals dieses fiktive Buch, zu dessen Inhalt Lovecraft immer nur Andeutungen machte – oftmals bezeichnete er es in seinen Geschichten als gefährlich, grässlich oder monströs.

RADIOHEAD
Und zum Schluss noch eine Ausnahme: Eine Band, die sich nach einem ihrer Lieblingssongs (von der Gruppe Talking Heads) benannt hat.
Noch mehr Beispiele:
http://boards.straightdope.com/sdmb/archive/index.php/t-219422.html

A Stairway To Jingle Hell

A Stairway To Jingle Hell – Teil 1, 12:43 Minuten

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Sprechen und Schreiben über Musik entstand eine fiktionale Hörfolge, die unter Verwendung verschiedener Musikstücke und -zitate aus dem Bereich der populären Weihnachtsmusik dafür eigens produziertes Material der Studenten zu einem radiotauglichen Format integrieren sollte.

Den Teilnehmern wurde dabei nur ein kurzes Zeitfenster für die Konzeption und praktische Umsetzung ihrer Beiträge gewährt. Auch vor dem Hintergrund, berufsbezogene Erfahrungen in der Lehre anzubieten, wurde das Format am 26. Dezember 2012 von dem Kölner Hochschulradio Kölncampus gesendet und einer potentiellen Kritik ausgesetzt.

Ein Projekt von und mit Bojan Stankovic, David Füsgen, Florian Zeeh, Kamilla Eggeling, Lukas Truniger, Markus Roser, Moritz Hils, Nikola Schulze-Frenking, Paul Große-Schönepauck unter der Leitung der IMM Dozentin Waltraud Blischke.

Mehr Informationen:
www.musikundtext.net – Musik und Text Blog
www.koelncampus.com – Kölncampus, das Kölner Hochschulradio
www.musikundmedien.net – Institut für Musik und Medien

A Stairway To Jingle Hell – Teil 1, 12:43 Minuten

Realisation: Bojan Stankovic, David Füsgen, Florian Zeeh, Kamilla Eggeling, Lukas Truniger, Markus Roser, Moritz Hils, Nikola Schulze-Frenking, Paul Große-Schönepauck unter der Leitung der IMM Dozentin Waltraud Blischke

Erstausstrahlung 26.12.2012

Order From Noise – eine Lecture Performance im Rahmen der Resonanzräume

Resonanzräume – www.resonanzraeume.com  – Gestaltung: Marius Obiegala

Logo der Reihe Resonanzräume – Gestaltung: Marius Obiegala


 
Order from Noise – Hörspielfassung der Lecture Performance von Till Freese, Roland Nebe und Léa Perraudin im Rahmen der Reihe Resonanzräume am 02.02.2012 im Salon des Amateurs, Düsseldorf.

Die Lecture Performance Order from Noise hinterfragt Utopien von Reinheit und Abgeschlossenheit in Wissenschaft, Signal, Kunst und Sinnlichkeit. Es untersucht und vollzieht jene Prozesse, die Materie und Körper aus einem Rauschen herauslösen und organisieren.

Unter Verwendung von Textzitaten von Elisabeth Grosz, Andreas Hiepko / Katja Stopka, Friedrich Kittler, Sybille Krämer, Brian Massumi, Martin Seel, Michel Serres, Heinz von Foerster.

Eine Zusammenarbeit von Studenten des Instituts für Musik und Medien der Robert Schumann Hochschule und des Instituts für Medien- und Kulturwissenschaft der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf.

Mehr Informationen:
www.musikundtext.net – Musik und Text Blog
www.resonanzraeume.com – Resonanzräume
www.musikundmedien.net – Institut für Musik und Medien
www.uni-duesseldorf.de – Heinrich-Heine-Universität

Lecture Performance: Order from Noise, 10:30 Minuten
Realisation: Till Freese, Roland Nebe, Léa Perraudin
Uraufführung 02.02.2012

Konzertreview: Music at Studio One – Deine Mutter findet unsern Hit Tight

Deine Mutter findet unsern Hit Tight - Music at Studio One

Plakat: Deine Mutter findet unsern Hit Tight - Music at Studio One

Was soll ich noch groß sagen
Das hier ist kein Hippie-Hop
Dieses Lied, das ist ein altes Lied
Antik, aber ich hat halt Bock.

Dieses Zitat aus ihrem Song Fortschritt beschreibt die Einstellung der Band Deine Mutter findet unseren Hit Tight recht treffend. Ihr ursprünglicher Plan war es, Hiphop komplett auf akustischen Instrumenten zu machen. Mit der Zeit entdeckten die vier Jungs jedoch, dass ein gewisser elektronischer Einfluss nicht nur mehr aus ihrer Musik herausholen konnte, sondern auch ihren Workflow vereinfacht.

So schreiben die vier ihre Ideen oft getrennt voneinander und schicken sie sich gegenseitig per Mail, um dann widerum daran weiterzubasteln – bis am Ende ein fertiger Song steht. Beeinflussen und inspirieren lassen sie sich dabei von Bands wie Seeed, Peter Fox, den Beastie Boys und der frühen Hamburger Hiphop-Szene.

Das Resultat dieser Arbeit gaben Nico (Rap), Konstantin (Rhodes), Julian (Drums) und Roland (Live-Elektronik) bei ihrem Auftritt am 10.11.2011 bei Music@Studio1 zum Besten – und sie überzeugten. Ihr Auftritt bestand aus einer unterhaltsamen Mischung aus Spaß, Kritik an der Gesellschaft und guter Musik.

Dass die Jungs sich außerdem selbst nicht ganz so ernst nehmen, bewiesen sie beim Interview nach ihrem Auftritt. Hier erzählten sie beispielsweise, sie hätten sich bereits vor 30 Jahren gegründet, jedoch nie zusammen geprobt, oder schoben leichte Ungenauigkeiten im Zusammenspiel auf ein untightes Playback.

Sie wollen sich abgrenzen und anders sein, und das ist gut, denn:

Meistens ist das,
Was die meisten meinen zu wollen
Doch auch gar nicht so toll!

Ich liebe es, wie du die Lippen bewegst zu den Worten, die aus deinem Mund fallen.

Ich liebe es, wie du die Lippen bewegst zu den Worten, die aus deinem Mund fallen.

Ich liebe es, wie du die Lippen bewegst zu den Worten, die aus deinem Mund fallen.

Sieben Fragen an Michael Lentz zu „Ferdinand Kriwet – Rotor“

Für den Bayrischen Rundfunk produzierte Michael Lentz 2011 das Hörspiel „Ferdinand Kriwet – Rotor“. Als Ausgangsmaterial sprach er Kriwets komplette Textvorlage „Rotor“, 1961 im Kölner DuMont Verlag erschienen, ein. Für den Musik und Text Blog beantwortete Lentz nun sieben Fragen.

Musik und Text Blog: 2011 haben Sie für den Bayrischen Rundfunk „Ferdinand Kriwet – Rotor“ als Hörspiel realisiert. Haben Sie sich die Retrospektive „Yester’n’Today“ zum Anlass genommen, sich Kriwets Text zu widmen?

Michael Lentz: Nein, die Wiederlektüre von Rotor löste die Vorstellung aus, diesen Text in einem akustischen Raum ‚rotieren‘ zu lassen. Es sollte eine akustische Version entstehen, die das Besessene und das Wechselspiel von Oberfläche und Latenz zum Ausdruck bzw. zu Gehör bringt.

Was hat Sie an der Textvorlage besonders fasziniert?

Michael Lentz: Die Performanz des Titels im bzw. als Text. Variierte Schleifenbildungen, Übergangslosigkeit (auch zwischen den Sprachebenen, zum Beispiel zwischen artifizieller Kunstsprache und Mundart). Dann das Wechselspiel zwischen (autobiographischer) Offenbarung und Verschleierung. Hier redet jemand ohne Punkt und Komma – und unterläuft sofort die Ankündigung, Geschichten würden ihn nicht interessieren.
In der vorgeblichen Verweigerung von Geschichten erzählt sich der Sprechende um Kopf und Kragen und installiert damit ein so rotierendes wie in sich ruhendes Paradox: nicht erzählen zu wollen (weil das tun ja schon die Eltern – als Kriegsgeneration, die erzählend schweigt, verheimlicht und lügt) und doch erzählen zu müssen, anfänglich zumindest genau davon – bis sich das Erzählen verselbstständigt.
Kriwet hat hier ein Modell gefunden für ein sich selbst stabilisierendes Sprechsystem, das bereits Erzähltes als nun doch endlich Gewusstes oder zu Wissendes immer wieder anschwemmt, um es Neuigkeiten aufzupfropfen. Autobiographie, Suada, Katarakt, Abrechnung, Heimatprosa.

Der Text verzichtet in seiner Druckform komplett auf Großschreibung und Interpunktion. Wie haben Sie sich auf die Interpretation vorbereitet?

Michael Lentz: Indem ich Taktungen vorgenommen habe, Markierungen durch Unterstreichungen und Virgeln. Scheinbar endlose Kombinationen von Wörtern, die nach dem Prinzip der Silbengemeinschaft bzw. der Auslassung der morphologisch notwendigen Silbenwiederholung aneinandergehängt sind, habe ich zunächst ‚analysiert‘, auseinandergebaut und mittels artikulatorischer Verschleifung wieder zusammengesetzt. Ich habe den Text zu Redeeinheiten gruppiert, seiner Übergangslosigkeit als Monolith also Gewalt angetan. Jede dieser Gruppierungen habe ich zunächst für sich und dann in immer größeren Zusammenhängen eingeübt durch lautes Lesen/Sprechen.

Gunnar Geisse hat den von Ihnen eingesprochenen Vortrag anschließend mit Sampling-Effekten bearbeitet. Wie haben Sie beide das richtige Verhältnis von Effekt und textlichem Inhalt erarbeitet?

Michael Lentz: Der Ehrgeiz war von Anfang an, den gesamten von mir eingelesenen Text von Rotor (ca. 3 Stunden) auf ca. 50 Minuten zu bringen. Das wurde realisiert durch das Prinzip Rotor: rasende, kaskadenartige Beschleunigung auch überlagerter Sequenzen. Die Arbeit im Studio war eine der gesteigerten Aufmerksamkeit des Hörens und gehörter Entscheidungen.
Die Fragen nach ‚wie‘, ‚wann‘ und ‚wo‘ wurden zum Teil auditiv entschieden, dann aber auch semantisch: Unvorhergesehene Stopps, Zerdehnungen, Exponierung von Redewendungen, die deutlich zu verstehen sein sollten etc., waren das Ergebnis. Dieses wurde aber immer wieder überprüft. So war die Arbeit an Rotor sprichwörtlich minutiös, aufreibend, rasend lustig.

Wie lange haben Sie für die Produktion benötigt?

Michael Lentz: 6 Tage im Hörspielstudio des BR München.

Haben Sie mit „Rotor“ Lesungen veranstaltet? Haben Sie den Sampling-Ansatz dort live umsetzen können?

Michael Lentz: Nein, ich habe keine Lesungen gemacht mit „Rotor“.

Können wir auf ein Hörbuch mit dem kompletten, von Ihnen eingesprochenen „Rotor“ hoffen?

Michael Lentz: Im Moment leider nicht, ich finde keine Zeit, mich darum zu kümmern. In Zukunft hoffe ich aber sehr, dass das komplette Paket erscheinen wird, samt Hörspiel.

Zum Nachhören:

Hörspiel: Ferdinand Kriwet – Rotor, 55 Minuten
Realisation: Michael Lentz, Sampling: Gunnar Geisse
2011 BR Bayrischer Rundfunk Bayern 2
Erstausstrahlung 13.05.2011

Vorher im Musik und Text Blog: „Hörspiel: Ferdinand Kriwet – Rotor“.

Ich wünschte, ich hätte was vernünftiges zu Essen im Kühlschrank.

Ich wünschte, ich hätte was vernünftiges zu Essen im Kühlschrank.

Ich wünschte, ich hätte was vernünftiges zu Essen im Kühlschrank.

DVD: Ernst Jandl – Das Öffnen und Schließen des Mundes

Ernst Jandl

Ernst Jandl

Ernst Jandl – Das Öffnen und Schließen des Mundes – Frankfurter Poetikvorlesungen 1984/1985 (2xDVD, 263 min)
Mit einem Beiheft und Anmerkungen von Johannes Ullmaier
Filmedition Suhrkamp – fes17
ISBN: 978-3-518-13517-4

Menschen, die Ernstes humorvoll zu vermitteln wissen, sind rar. Als bedeutenster deutschsprachiger Dichter der Konkreten Poesie beherrschte der Österreicher Ernst Jandl (1925 – 2000) diese Kunst in Perfektion.

Davon zeugt die in der Filmedition Suhrkamp erschienene Doppel-DVD-Box „Das Öffnen und Schließen des Mundes“, die Jandls Poetikvorlesungen an der Frankfurter Goethe-Universität 1984/1985 dokumentiert.

In fünf Teilen von jeweils einer knappen stunde führt Jandl Formen des lyrischen Schreibens und ihrer Performance vor. Dabei stellt er abstrakte Begriffe wie phonetische, lautmalerische und konkrete Poesie in Frage, um ihnen Anhand seiner eigenen, stets augenzwinkernden Lyrik ein Gesicht zu geben. Je komischer und absurder seine Abschweifungen dabei zu werden drohen, desto pointierter und eindrucksvoller macht er seine Aussagen.

Die Aufbereitung der Edition signalisiert: diese DVD versteht sich als literarisches Dokument. Das Faltcover, der DVD-Druck und die Menüs orientieren sich an der schlichten, klassischen Einheits-Optik der Suhrkamp-Taschenbücher.

Die Filme kommen mit zwei nüchternen Kameraeinstellungen aus und fangen Ernst Jandls sorgfältig formulierten Vortrag unverfälscht ein. Das ausführliche Beiheft ergänzt den Inhalt der DVD außerdem um Anmerkungen und Fußnoten.

Macht des Schlecksalz

Macht des Schlecksalz

Macht des Schlecksalz

John Cage: Ein Komponistenporträt von Peter Greenaway

Peter Greenaway – Four American Composers (2xDVD, 220 min)
1983 Mystic Fine Video / Absolut Medien
ISBN: 978-3-89848-813-6

Der renommierte englische Autorenfilmer Peter Greenaway gibt in seinem Komponistenporträt über John Cage einen sehr guten Einblick in die Kunst der aleatorischen Musik in der Praxis. John Cage, geboren 1912 in Los Angeles und gestorben 1992 in New York, gilt als einer der Ahnherren der Geräuschmusik, oder auch noise music genannt. In seinem kompositorischen Schaffen ist die Unbestimmbarkeit oder die Unvorhersehbarkeit eines der wichtigsten Elemente.

In der Dokumentation erzählt vor allem Cage selbst, als Off-Stimme, von seiner Musik und dessen Umwelt. Ebenso enthalten sind direkte Interviews und Ausschnitte aus gemeinschaftlichen Unterhaltungen. Peter Greenaway serviert dem Zuschauer Cages Kompositionen in chronologischer Reihenfolge und blendet an zahlreichen Stellen Ausschnitte aus Cages „Indeterminacy“ Hörspiel ein. Bei diesen „Indeterminacy“-Stories handelt es sich um absurd wirkende Anekdoten über menschliche Erlebnisse gezeichnet von Unvorhersehbarkeit. Cage selbst macht dabei Unterscheidungen wie „not by chance, but at random“ und ist bei seiner Aleatorik auf Präzision bedacht.

Die Filmaufnahmen wurden zum größten Teil im Rahmen des Musical Circus gemacht. Diese Veranstaltung fand in einer Londoner Kirche statt, in der John Cage eine Vielzahl seiner Werke aufführte. Vom Gong im Schwimmbad über präpariertes Klavier bis hin zu Cyborg-Klavier und Zufallsgeräusche mit Muscheltierschalen ist alles mögliche dabei. Für den normalen Konsumenten mag seine Musik äußerst merkwürdig erscheinen, wie ein totales Durcheinander, da oft gänzlich unterschiedliche musikalische Linien, ohne gemeinsame Tonart oder Tempi, gleichzeitig gespielt werden.

Insgesamt jedoch ist der Film überhaupt keine schwere Kost, sondern eher unterhaltend, unter anderem weil die vielen Anekdoten von John Cage gerne humorvoll und durchaus interessant sind. Beispielsweise erzählt er von seiner Abneigung gegenüber Schallplatten und Studioaufnahmen, da sie beim Konsumenten den Eindruck einer in Stein gemeißelten Version musikalischer Werke hinterlässt. So konnte es auch kommen, daß ein kleines Mädchen im Publikum einst während eines Konzerts empört bemerkte: „Das geht aber anders!“

Das ist kein Versuch von Tiefsinnigkeit – das ist einfach nur kein volles Glas Bier.

Das ist kein Versuch von Tiefsinnigkeit - das ist einfach nur kein volles Glas Bier.

Das ist kein Versuch von Tiefsinnigkeit - das ist einfach nur kein volles Glas Bier.

Album: Hans Nieswandt – Hans is playing House

Hans Nieswandt

Hans Nieswandt

Various – „Hans is playing House – 14 Remixe von Hans Nieswandt“ (2xLP, CD)
2011 Bureau B (BB081)

Die Arbeit des Kölner DJs und Autor Hans Nieswandt (*1964, Mannheim) steht seit Beginn seiner Karriere im Spannungsfeld zwischen Musik und Text.

Nieswandt vermittelt in seinen Artikeln für die Zeit, taz sowie die Musikmagazine Spex, Groove und Intro musikalische Themen mit Schwerpunkt Clubkultur. Seine Buchveröffentlichungen zwischen Biographie („Plus Minus Acht“), Reisebericht („Disko Ramallah“) und Roman („DJ Dionysos“) beleuchten die verschiedenen Facetten seiner Tätigkeit als DJ mit zahlreichen Anekdoten.

Außerdem lebt insbesondere der Überraschungserfolg „From Disco to Disco“, den er 1997 mit seiner Gruppe Whirlpool Productions produzierte, mit den von Eric D. Clark gekonnt dahingeschnodderten Lyrics von einer starken, eigenwilligen Textebene.

Dieses Selbstverständnis im Umgang mit Text prägt auch Hans Nieswandts neue Remix-Platte „Hans is playing House“. Denn die auffälligste Klammer, die die 14 Tracks des Albums verbindet, ist Nieswandts Arbeit mit den Vocals und Textsamples des Ausgangsmaterials.

Den Track „Körper“ des Indie-Elektronik-Songwriters Jens Friebe reduziert Nieswandt auf eine einzige, fantastische Textzeile („Du gehst dir durchs Haar, aber Sie interessiert sich gar nicht richtig für dich“), die er über einem quirligen E-Piano und einem treibenden Xylophon-Pattern immer wieder neu zusammensetzt („Du gehst, Sie interessiert sich“). Aus dem Stück „LCD is playing at my House“ der Hamburger Knarf Rellöm Trinity samplet sich Nieswandt die freche Titelhymne des Albums zusammen, „Hans is playing House“. Und Universal Gonzales‘ Song „Verkaufen“ belohnt er für großartige Zeilen wie „Das Haus versackt in seinen eigenen Träumen“ mit perfekt shuffelndem Bossa-House.

Die außergewöhnliche Zusammenstellung der geremixten Künstler, von der Hamburger-Schule-Formation Die Zukunft bis zur NDW-Band Die Zimmermänner, reicht dabei weit über die Genregrenzen der Housemusik hinaus. Die Liner Notes, die für jedes Remix der Platte die Enstehungsgeschichte kurz umreißen, erweisen sich deswegen als aufschlußreich und unterhaltsam.

Bei allen 14 Remixen legt Hans Nieswandt den musikalischen Fokus auf Tanzbarkeit, trotzdem wirkt die Platte auch beim Hören im Wohnzimmer nicht monoton. Hier profitiert die Veröffentlichung sowohl von Nieswandts jahrelanger Erfahrung als DJ, als auch von seinem breit aufgestellten Musikgeschmack.

Im Vergleich zu anderen aktuellen Veröffentlichungen bietet „Hans is playing House“ vielleicht nicht immer das ausgefuchsteste Sounddesign, dafür macht ihr Abwechslungsreichtum richtig Spaß.

Zum Nachlesen:

Hans Nieswandt – „DJ Dionysos – Geschichten aus der Diskowelt“
2010 Kiepenheuer & Witsch, KiWi 1168

Hans Nieswandt – „Disko Ramallah – und andere merkwürdige Orte zum Plattenauflegen“
2006 Kiepenheuer & Witsch, KiWi 674

Hans Nieswandt – „Plus Minus Acht. DJ Tage, DJ Nächte“
2002 Kiepenheuer & Witsch, KiWi 674

2011 war das Jahr der Jeans und Socken. 2012 wird das Jahr der T-Shirts und Unterhosen.

2011 war das Jahr der Jeans und Socken. 2012 wird das Jahr der T-Shirts und Unterhosen.

2011 war das Jahr der Jeans und Socken. 2012 wird das Jahr der T-Shirts und Unterhosen.

Hörspiel: Ferdinand Kriwet – Rotor

Kriwet - Apollovenus

Kriwet - Apollovenus

Hörspiel: Ferdinand Kriwet – Rotor, 55 Minuten
Realisation: Michael Lentz, Sampling: Gunnar Geisse
2011 BR Bayrischer Rundfunk Bayern 2
Erstausstrahlung 13.05.2011

Der Düsseldorfer Künstler Ferdinand Kriwet (* 1941) war und ist in seinem Schaffen dermaßen vielseitig, dass man sofort versucht ist, ihn als Multimedia-Künstler zu bezeichnen.

Das stimmt zwar nicht ganz, denn seine formalistischen Werke aus den Bereichen Grafik, Film, Literatur, Hörspiel und Kunst am Bau bewegen sich oft innerhalb der jeweiligen Konventionen und Genregrenzen ihres Mediums; trotzdem zeigt sich übergeordnet eine bemerkenswerte Stringenz im Umgang mit Sprache, Form- und Farbgebung. Davon konnte man sich während der groß angelegten Retrospektive „KRIWET – Yester’n’Today“ (Frühjahr 2011) in der Kunsthalle Düsseldorf überzeugen.

Der Kreis, das Zyklische, spielt dabei in Kriwets Schaffen sowohl formal als auch inhaltlich eine zentrale Rolle. Das beste Bespiel hierfür sind seine Rundscheiben, die als sprichwörtliche “Literaturform” auch inhaltlich unkonventionelle Lesarten nahelegen.

An diesem Punkt setzt Michael Lentz‚ Hörspiel „Ferdinand Kriwet – Rotor“, produziert 2011 für den Bayrischen Rundfunk, an. Als Ausgangsmaterial spricht er Kriwets komplette Textvorlage „Rotor“, 1961 im Kölner DuMont Verlag erschienen, ein.

Den Text, der in Druckform komplett auf Großschreibung und Interpunktion verzichtet, in sinnvolle Satzabschnitte zu unterteilen, kann man durchaus als großen interpretatorischen Eingriff verstehen – Dank Lentz’ sprecherischer Leistung allerdings als durchweg gelungen bezeichnen.

Auf rund 55 Minuten Länge wird das Rohmaterial anschließend von Michael Geisse mit Samplingeffekten bearbeitet. Stottereffekte, Granularsynthese, Pitchshift- und Bending, Tapestart- und Stops bestimmen das Tempo und Klangbild der Produktion. Besonders wild wird es, wenn mehrere Spuren gleichzeitig im Stereobild verteilt oder übereinandergeblendet werden. Dann erinnert die Produktion klanglich an elektronische Musik der 1990er, wie etwa von Autechre oder Aphex Twin.

Besonders unterhaltsam hingegen wird „Ferdinand Kriwet – Rotor“, wenn Michael Lentz‘ Vortrag mehr Platz eingeräumt und die Samplingtechniken verhaltener eingesetzt werden. Auch wenn die Soundgestaltung spätestens ab der Halbzeit nur noch wenige Überraschungen bietet, macht dieser Umstand macht die Produktion unbedingt hörenswert.

Editorial

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Seit dem 7. November 2011 bietet der Musik und Text Blog Studierenden im Schwerpunkt Musik und Text am Institut für Musik und Medien der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf eine Plattform, ihre Artikel zu publizieren.

Darüber hinaus werden Medienarbeiten aus den Workshops dieses Schwerpunktes sowie Beiträge von Gastdozenten erscheinen. Es darf reichlich kommentiert werden – der Musik und Text Blog lädt zum direkten, offenen Diskurs ein.

Der Musik und Text Blog entsteht als Abschlussprüfung des Studierenden Roland Nebe unter Leitung des IMM Dozenten Marc Matter. Die visuelle Gestaltung entstand in der Lehrveranstaltung Typographie, Bildkomposition, Layout unter der Leitung des IMM Dozenten Christian Schäfer.